Masken
Als ich mir meine Filmaufnahmen aus der Forschungswerkstatt anschaute war ich ratlos.
In meiner Wahrnehmung dominierten die von den Teilnehmer*innen getragenen Masken den Seheindruck so stark, dass es mir schwer fiel auf irgendetwas anderes zu achten.
Also beschloss ich, das Thema „Masken“ zum Thema meiner Betrachtungen zu machen.


Maskenkulturen
Masken sind Kulturobjekte für Rituale, in denen Personen ihre Identität wechseln.
Das Tragen von Masken ermöglicht es, nicht erkannt zu werden, oder als jemand anders gesehen zu werden.
Im Theater, in religiösen Ritualen und Zeremonien, im Karneval und bei Maskenbällen schlüpfen Personen durch Masken in die Rollen anderer. Sie verwandeln sich durch ihre Masken. Nicht-erkannt werden bedeutet die bei solchen Anlässen, die gesellschaftlich legitimierte Freiheit Dinge zu tun, die außerhalb alltäglicher Handlungen stehen, oder im Alltag moralisch nicht akzeptiert sind, oder Strafen nach sich ziehen. Die Wirkung von Masken auf Andere ist stark. Selbst wenn man weiß, wer sich hinter einer Maske verbirgt ist es schwer, sich der Wirkung der Verwandlung durch sie zu entziehen. Masken können für eine (Kult)-Figur stehen (Zorro), dem die Maske es ermöglicht, unerkannt Gutes zu tun, oder maskierte Verbrechen ermöglichen. In Verdis Oper „Der Maskenball“ beispielsweise kulminiert eine Geschichte um verbotene Liebe, Ehebruch, Freundschaft, Verrat und politische Intrigen in einem Mordkomplott auf einem Maskenball.


Schutzmasken dagegen sind profane Alltagsgegenstände, die verhindern sollen, dass Schadstoffe (Giftstoffe, Viren, …) über die Atemluft in Körpern ein- oder aus Körpern austreten. Sie dienen dem Schutz der eigenen Gesundheit, und dem Schutz anderer. Dass sie dabei einen Teil des Gesichts verdecken ist ein unvermeidlicher Nebeneffekt.
In der Forschungswerkstatt, in der ich die Aufnahmen gemacht habe, aus denen dieser Videoclip entstanden ist, trugen die Personen solche Masken. Was in der Situation selbst als Corona-Schutzmaßnahme sinnvoll, für die Anwesenden daher wenig befremdlich gewesen war, wirkte in der Situation des Sichtens des Videomaterials (ohne Ansteckungsgefahr) absurd. Ich hatte Probleme, mich konstruktiv mit meinen Aufnahmen zu beschäftigen, und einen Anknüpfungspunkt für eine Arbeit mit dem Material zu finden, weil die Maskierung der Teilnehmenden meine Wahrnehmung beherrschte, und es mir schwerfiel, mich auf andere Aspekte im Material zu fokussieren. Was ist das mit dem „Masken tragen“? Ich konnte es nicht ausblenden (normalisieren) und ignorieren. Anders als in die kulturellen Masken, die eine Person in ein anderes Wesen verwandeln, neutralisieren die Schutzmasken einen Teil des Gesichts. Die untere Gesichtshälfte verschwindet, wird zu einer (meist weißen) Projektionsfläche.
Da ich die Masken nicht ‚wegdenken‘ (normalisieren) konnte, und sie mir die Beschäftigung mit dem Filmmaterial verleideten, beschloss ich, das Thema offensiv anzugehen, und die Verfremdung, die ich durch eine Gruppe maskentragender Menschen, die sich ansonsten völlig unauffällig verhielten, noch zu steigern, indem ich einen Videoclip schnitt, der danach fragte, wie Menschen, deren halbes Gesicht verdeckt ist, sich einander mitteilen. Ich wollte die Masken als Katalysator benutzen, die durch ihre unübersehbare Anwesenheit, die Aufmerksamkeit auf etwas anderes lenkten, das mit ihrer Anwesenheit in direktem Zusammenhang stand:

Wie machen sich die maskierten Personen wechselseitig erkennbar, wahrnehmbar? Wie drücken sie sich als Person aus, hinter einer Maske, die nur im unbeabsichtigten Nebeneffekt einen Teil der Ausdrucksmöglichkeiten ihres Gesichts beschneidet. Ich beschloss, einen Videoclip auf eine Ouvertüre zu einer Arie aus Verdis „Maskenball“ zu schneiden, um die absichtliche kulturelle Anonymisierung durch Masken und die eher versehentliche durch Corona-Schutzmasken miteinander zu verknüpfen.
Welche wahrnehmbaren Aspekte einer Person treten, losgelöst von ihren verbalen Äußerungen hervor, wenn Teile ihres Gesichts verdeckt sind? Wie nehmen wir Personen mit Masken wahr? Im real life und wie im Film?

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